Johann Baptist Ritter von Spix Main-Page

Johann Baptist Ritter von Spix,

Zoologe und Brasilienforscher (1781 - 1826):
der Begründer der Zoologischen Staatssammlung München

von
Klaus Schönitzer

Genauere Informationen
finden Sie in dem Buch Ein Leben für die Zoologie - Die Reisen und Forschungen des Johann Baptist Ritter von Spix,
die erste umfassende Biographie über Ritter von Spix
(Allitera Verlag, edition monacensia, 2011). Details dazu hier.

Inhaltsverzeichnis:


Denkmal für J. B. Ritter von Spix in Höchstadt

Johann Baptist Ritter von Spix (* 9. Februar 1781 in Höchstadt an der Aisch; † 13. Mai 1826 in München) war ein deutscher Naturwissenschaftler und vor allem Zoologe.

Johann Baptist Ritter von Spix war der erste Konservator der damaligen zoologisch-zootomischen Sammlungen der Bayerischen Akademie in München, aus der die Zoologische Staatssammlung München hervorgegangen ist. Ihm zu Ehren verleihen die Freunde der ZSM e.V. die Ritter von Spix Medaille an besonders verdiente Personen und die wissenschaftliche Zeitschrift der Zoologischen Staatssammlung heißt in Erinnerung an ihn "Spixiana". In seiner Geburtsstadt, Höchstadt an der Aisch, steht am Marktplatz ein Spix-Denkmal. In München und Höchstadt wurde jeweils eine Straße nach ihm benannt. Eine Reihe von Tier- und Pflanzenarten, und sogar Gattungen, sind nach ihm benannt.

Im Jahre 1811 wurde Spix zum Konservator der Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaft einer eigenständigen zoologisch-zootomischen Sammlung berufen. Hierauf geht die Zoologische Staatssammlung München (ZSM) zurück, die damit älter als andere bedeutende deutsche zoologische Museen ist (z. B. Frankfurt: 1817, Bonn: 1818, Hamburg: 1839). Die ZSM ist ein wissenschaftliches Museum und Institut ("Forschungsmuseum") das heute mit ca. 25 Millionen zoologischen Präparaten aus allen Kontinenten und Meeren der Welt zweifelsohne von internationaler Bedeutung ist. Die ZSM beherbergt heute außerdem die größte Schmetterlingssammlung der Welt.

Spix wird in den Büchern über die Geschichte der Biologie vor allem im Zusammenhang mit der höchst erfolgreichen Brasilienexpedition (1817 bis 1820) erwähnt, die er gemeinsam mit Carl Friedrich Philipp von Martius (1794-1868) durchgeführt hat. Sein sonstiges Wirken als Zoologe und seine Verdienste für die zoologische Systematik sind auch heute noch viel zu wenig bekannt. Es ist das Verdienst von Prof. Dr. Ernst Josef Fittkau, dem früheren Leiter der ZSM, Spix zweihundert Jahre nach seiner Geburt in verschiedenen Publikationen und Symposien bekannter gemacht zu haben. Seiner Anregung und der Betreuung von Prof. Dr. Brigitte Hoppe ist auch die hervorragende und gründliche Doktorarbeit von Beatrix Bartkowski zu verdanken (1998 als Buch publiziert, siehe Literaturverzeichnis, siehe dort auch für weitere Literaturzitate und Details). Inzwischen gibt es auch eine Biographie (Schönitzer 2011, "Ein Leben für die Zoologie").

Jugend und Studium

Höchstadt an der Aisch, Aquarell von Lebschée, ca 1845

Der spätere Zoologe Johann Baptist Spix wurde am 9. Februar 1781 im fränkischen Höchstadt an der Aisch geboren. Sein Vater, ein Bader, war früh gestorben, und die Mutter musste vier unmündige Kinder großziehen. Da Johann Baptist handwerklich nicht sehr talentiert war, sich aber umso mehr durch geistige Begabung auszeichnete, bot sich eine Ausbildung zum Priester an. Nach dem Besuch der Domschule in Bamberg konnte er an der Universität Bamberg Philosophie studieren. Im Jahre 1800 schloss er die philosophischen Studien im Aufseßschen Studienseminar als einer der zehn Besten seines Jahrgangs ab und erhielt den Doktortitel in Philosophie verliehen.

Er setzte nun seine Studien mit einem Theologiestudium im Klerikalseminar "Zum Guten Hirten" in Würzburg fort, welches er aber nicht abschloss. Durch den damals noch jungen Naturphilosophen Friedrich Wilhelm Josef Schelling (1775 - 1854), der 1803 nach Würzbug berufen wurde, wurde Spix' Interesse an der Natur geweckt. Er brach sein Theologiestudium ab und widmete sich der Medizin und Naturgeschichte. Abgesehen von der Naturphilosophie Schellings lernte der junge Spix auch Embryologie und Zootomie bei Ignaz Döllinger (1770 - 1841). Er befasste sich auch mit den Ideen von Lorenz Oken (1779 - 1851) und stand mit ihm über Jahre in Verbindung, was in einigen späteren Werken deutlich zu erkennen ist. Spix promovierte 1806 in Würzburg zum Doktor der Medizin und praktizierte in Bamberg kurze Zeit bei Adalbert Friedrich Marcus (1753 - 1816) als Arzt.

Berufung nach München, weitere Ausbildung

Im Jahre 1808 wurde Spix auf Betreiben von Samuel Thomas von Soemmering (1755 - 1830), der letzteren als Student in Würzburg kennen gelernt hatte, vom ersten Bayerischen König, Maximilian I. Josef, an die königliche Akademie der Wissenschaften berufen. Sie war unter Graf Montgelas reformiert worden und betreute das ehemals fürstliche Naturalienkabinett, das in dieser Zeit zahlreiche Neuzugänge aus der Säkularisation (1803) erhalten hatte. Auch der einflußreiche Förderer von Spix, Schelling, war inzwischen nach München berufen worden.

Spix reiste mit einem großzügigen Stipendium der bayerischen Regierung zu einem Studienaufenthalt nach Frankreich ans Pariser Museum, dem damaligen Mekka der Zoologie, und von dort aus zu meeresbiologischen Exkursionen u. a. nach Italien (1808 bis 1810). Der Einfluss seines Lehrers Georges Cuvier (1769 - 1832), dem Begründer der vergleichenden Anatomie, war in seinen späteren Publikationen unübersehbar. Außerdem war Spix in Paris Schüler von Jean-Baptiste de Lamarck (1744 - 1829) und Éntienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772 - 1844).

Er konnte erste eigene Untersuchungen an Meerestieren im Rahmen einer Reise nach Le Havre und Dieppe (September 1808) anfertigen, deren Ergebnisse in seine erste wissenschaftliche Publikation einflossen ("Memoire pour servir à l'histoire de l'astérie rouge..."), die 1809 erschien. In dieser Arbeit wies er unter anderem erstmals das Nervensystem des Roten Seesterns nach. (➜ Abbildung: Tafel 1; Abbildung: Tafel 2) Wohl im folgenden Jahr konnte er eine Reise durch das südliche Frankreich nach Italien bis nach Neapel und zum Vesuv unternehmen, von der er über die Schweiz nach München zurückkehrte. Auch auf dieser Reise studierte er Meeresbiologie und sammelte Material für die zoologische Sammlung in München.

Spix als Konservator und Zoologe

Am 31.10.1810 wurde Spix zum Adjunkt bei der Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaft ernannt. Im folgenden Jahr (am 24.4.1811) wurde er zum Konservator einer eigenständigen zoologisch-zootomischen Sammlung berufen. Hierauf geht die Zoologische Staatssammlung München zurück (siehe oben).

Spix hatte in München die Aufgabe, die zoologische Sammlung der Akademie zu ergänzen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Eine Aufgabe, der er sich mit großem Geschick und Eifer widmete. In seiner ersten Zeit wurden dem jungen Spix, der nicht immer diplomatisch vorging, große Widerstände aus der Akademie entgegen gebracht. Doch er konnte seine Position mit Unterstützung des Königs ausbauen und sogar verbessen.

Spix legte großen Wert darauf, die Sammlungsbestände systematisch zu erweitern in dem er sich bemühte, möglichst geeignete Vertreter der einzelnen Taxa in die Sammlung aufzunehmen und die einheimischen Tiere ("Fauna Boica") möglichst vollständig zu erfassen. Er baute die neue Sammlung zoologisch-zootomisch auf, d.h. es wurden auch anatomische Präparate hergestellt und in geeigneter Weise konserviert. Er hatte erkannt, wie wichtig anatomische Merkmale für die Systematik sind. Die von ihm formulierten Aufgaben eines zoologischen Konservators sind in weiten Teilen noch heute Grundlagen der Arbeitsweise der ZSM.

Bereits 1811 publizierte Spix ein mehr als 700 Seiten dickes Werk: "Geschichte und Beurtheilung aller Systeme in der Zoologie nach ihrer Entwicklungsfolge von Aristoteles bis in die gegenwärtige Zeit"(➜ Bild: Titelblatt; PDF-Datei: Widmung und Einleitung, 3,1 MB), Dieses Buch, das er seinem Förderer Graf Mongelas gewidmet hatte, brachte ihm allgemeine wissenschaftliche Anerkennung (PDF-Datei: Text aus einer Buchbesprechung von 1812, 26 KB). Spix' Thesen über die Arbeitsweise der zoologischen Systematik, in denen er noch vor Darwin die Suche nach dem natürlichen System als zentrale Aufgabe definierte, sind noch heute lesenswert und in weiten Teilen gültig. Spix stellt dar, dass auch die Anatomie der Tiere für die Systematik berücksichtigt werden muss. In Anerkennung seiner Bemühungen um die zoologische Sammlung in München und seiner wissenschaftlichen Arbeiten wurde Spix im Jahre 1813 als ordentliches frequentierendes Mitglied in die Akademie der Bayerischen Wissenschaften aufgenommen.

Spix zwischen seinen beiden wichtigsten Lehrern

In der Einleitung und auf dem Titelblatt des Werkes "Geschichte und Beurtheilung aller Systeme ..." stellt Spix sich selbst im Spannungsfeld seiner beiden Lehrer F. W. Schelling und G. v. Cuvier vor, wie es von Heinzeller (2006, siehe nebenstehende Abbildung) anschaulich zusammengestellt wurde. (➜ PDF (178 kb) der gesammten Arbeit).

Eine detaillierte anatomische Studie über die Anatomie des medizinischen Blutegels, die die Methodik der Pariser Schule deutlich erkennen lässt, erschien im Jahre 1814 ("Darstellung des gesammten inneren Körperbaues des gemeinen Blutigels")(➜ Bild: Titelblatt). Darin beschreibt er das Blutgefäß- und Nervensystem dieser Tiere (Strickleiter Nervensystem).

Ein weiterer wissenschaftlicher Beitrag, der in diesem Jahr erschien ("Abhandlung über die Affen der alten und der neuen Welt"), ist eine kritische taxonomische Revision aller damals bekannten Affen, in der Spix seine Studien mit dem Material der Pariser Museumssammlung einfließen lässt und seine ausgereifte taxonomische Arbeitsweise zu erkennen ist.

Abbildungstafel aus der Cephalogenesis

Schon im folgenden Jahr (1815) erscheint ein lateinisch abgefasstes, herrlich illustriertes, anspruchsvolles Werk, die "Cephalogenesis"(➜ Tafel 1: rechts; Tafel 8). Darin beschreibt Spix detailliert die Morphologie der Schädelknochen und deutet sie unter naturphilosophischen Gesichtspunkten. Ausgangspunkt seiner Untersuchungen war die naturphilosophische Deutung der Entwicklung der Skelettelemente des Kopfes im Tierreich mit dem damals betonten Prinzip der Einheit in der Mannigfaltigkeit des Tierreiches. Aber im Gegensatz zu seinen Vorgängern Friedrich W. J. Schelling und Lorenz Oken hat Spix mit seiner empirischen Arbeitsweise die anatomischen Verhältnisse genau dargestellt.

Die von Spix in Anlehnung an Oken verwendete Nomenklatur ist teilweise heute noch gültig. Angeregt durch die naturphilosophische Suche nach den Gemeinsamkeiten in der Natur ("Welttypus") beschrieb Spix auch die Kopfkapseln von Arthropoden und Tintenfischen.

Das Werk hat unter anderem auch Goethes naturwissenschaftliche Arbeiten beeinflusst und obwohl er mit den Schlußfolgerungen Spix' keineswegs einverstanden war, bezeichnete Goethe die "Cephalogenesis" als "würdiges Prachtwerk" (Goethes bekannte Arbeit über den Zwischenkeiferknochen wurde erst 1820 publiziert). Auch andere Kollegen seiner Zeit (Sömmering, Oken) konnten sich den naturphilosophischen Folgerungen und Meinungen der "Cephalogenesis" nicht anschließen und übten Kritik an dem Werk.

Im Nachruf von Martius erfahren wir, dass Spix diese Forschungen später weiterführen wollte, aber nicht mehr dazu gekommen ist. Martius würdigt die Cephalogenesis mit folgenden Worten: "Es kann sicherlich nicht geleugnet werden, daß in der Art, in der unser Freund die Natur betrachtete, etwas Einzigartiges und das erhabene Streben lag, den Beobachtungen aus dem Gedanken und der Einbildung Glanz und eine edlere Einheit hinzuzufügen."

Wenn sich auch die naturphilosophischen Deutungen überlebt haben, so ist doch festzuhalten, dass nie zuvor die Schädel der Tiere und des Menschen so gründlich und detailgenau dargestellt und beschrieben wurden. Die hervorragenden Illustratuonen sind übrigens Lithographien (Kreide-Steindrucke). Laut Schmidtler (Z. f. Feldherpetologie, 14: 93-119, 2007, PDF; 0,6 MB) handelt es sich dabei um das erste wissenschaftlich-zoologische Werk, das mit dieser, damals ganz neuen Technik illustriert ist.

Die Beschreibung eines "fledermausähnlichen" Fossils ("Pteropus Vampyrus", vermutlich die Fingerglieder eines Flugsauriers) wurde erst 1819, als Spix in Brasilien war, gedruckt. Spix hat eine größere Arbeit über Fossilien Bayerns begonnen und weitgehend fertg gestellt, die jedoch nicht publiziert wurde; auch das Maunskript ist nicht überliefert.

Brasilienreise

Vogelteich am Rio Sao Francisco

(➜ hierzu auch orginal Textausschnitte aus den Berichten von Spix und Martius)
Im Alter von 36 Jahren, als bereits renommierter Zoologe, fuhr Spix zusammen mit dem jüngeren Botaniker Carl Friedrich Philipp Martius nach Brasilien und führte dort die später berühmt gewordene Expedition durch (6.2.1817 bis 8.12.1820, nach einigen Quellen bis 10.12.).

Die beiden Münchner Wissenschaftler konnten mit einer großen österreichischen Expedition nach Brasilien fahren, die anlässlich der bevorstehenden Vermählung der Erzherzogin Leopoldine mit dem späteren Kaiser Dom Pedro I. organisiert worden war. Nachdem allerdings die österreichische Expedition, die sogenannge "Natterer Expedition" organisatorische Schwierigkeiten hatte, trennten sich die beiden bayerischen Wissenschaftler von der österreichischen Gruppe und erkundeten eigenständig die Umgebung von Rio de Janeiro, wo sie etwa ein halbes Jahr blieben.

Spix war begeistert von der Vielfalt der brasilianischen Natur und bemühte sich unablässig so viel Material wie irgend möglich für München zu sammeln. Spix und Martius sammelten Tiere und Pflanzen, Mineralien und ethnologische Gegenstände. Sie machten Aufzeichnungen über die Sprachen und Gebräuche der indigenen Völker ebenso wie über Bodenschätze, Wetter und landwirtschaftliche Methoden. Das entsprechende Kapitel der Reisebeschreibung gibt einen lebendigen Eindruck von den Erlebnissen, genauen Beobachtungen und der Begeisterung der beiden Münchner Naturwissenschaftler (siehe ➜ pdf Datei, Kapitel 2 Seite 138 bis 178 und S. 240).; Schon bald konnten die beiden bayerischen Wissenschaftler Kisten mit gesamelten Tieren, Pflanzen, Mineralien und Ethnographica nach München schicken. Zum Glück sind die ganzen "Schätze" wohlbehalten in München angekommen.

In Rio hatten Spix und Martius Kontakt zu verschiedenen Naturforschern vor Ort, wie dem sehr erfahrenen und hilfsberiten, deutsch-russischen Baron von Langsdorff (1774 - 1852). Nach den nötigen Reisevorbereitungen fuhren die beiden Münchner Naturforscher ins Innere des Landes da sie nicht länger auf den gemeinsamen "Beginn" der österreichischen Expedition warten wollten. Die beiden Naturforscher reisten zunächst nach Süden bis Sao Paulo, ritten dann in das Brasilianische Bergland nach Belo Horizonte und weiter nach Diamantina. Hier konnten sie interessante Diamantminen besuchen und beschreiben. Dann reisten sie in das trockene Innere des Landes, wo sie nur knapp dem Tod durch Verdursten entkamen. Schließlich gelangten sie nach Salvador und durchquerten von dort aus den trockenen Nordosten von Brasilien, wo sie viele Gefahren und zu überstehen hatten. Sie sammelten auf ihrer ganzen Reise biologische, mineralogische und ethnologische Gegenstände aller Art, die sie jeweils von den Hafenstädten aus nach München schickten.

Reiseroute von Spix und Martius (Naturwiss. Rundschau 2011, 66, 468)

Geschwächt durch die Strapazen der bisherigen Reise segelten sie nach Pará (Belem) an der Mündung des Amazonas. Von dort aus fuhren Sie mit einer militärischen Eskorte und Indianern als Ruderer schließlich den Amazonas aufwärts. Im letzten Teil der Reise trennten sich die beiden zeitweise, um in der verfügbaren Zeit ein möglichst weites Gebiet erforschen zu können. Spix kam bis an die peruanische Grenze nach Tabatinga (heute das Dreiländereck tres fronteras, an dem Peru, Brasilien und Kolumbien zusammenstoßen). Martius reiste bis an die damals unüberwindlichen Arara-CoraWasserfälle des Yupurá tief im heutigen Kolumbien. Über mehrere Monate waren die beiden Bayern vermisst, so dass das bayerische Staats-Ministerium des Inneren auf diplomatischem Wege Nachforschungen betrieb (näheres siehe Schönitzer 2011, und Tiefenbacher 1982, 1983, 1994).

Die gesamte Reise war voll von Strapazen und Gefahren. Spix schrieb zum Beispiel einmal in einem Brief an den König Maxilmilian I. am 18.7.1819: "... Es fehlen uns die Worte, um die Leiden zu schildern, welche wir auf dem Wege durch diese menschenleeren Certaos (Dornbuschsteppe) auszustehen hatten ... Fünf bis sechs Tage war auch nicht eine einzige Cisterne mit Wasser zu finden, und wir waren gezwungen Tag und Nacht zu reisen, um dem Tode zu entgehen .." (Zitiert nach Tiefenbacher, 1982). Spix war vor allem gegen Ende der Reise gesundheitlich sehr angegriffen und litt oft unter schweren Fieberanfällen.

Spix und Martius jagen Fische mit Pfeil und Bogen am Amazonas

In München - und daüber hinaus in ganz Europa - hatte die Expedition weite Beachtung erfahren. Die Zeitschrift "Eos" publizierte regelmäßig die Berichte und Briefe von Spix und Martius, wodurch sogar die Auflage dieser Zeitschrift stieg. (➜ orginal Textausschnitte) Außerdem wurde schon bald eine deutsche, populäre Version des Reiseberichtes "für die reifere Jugend" von Josef von Hefner herausgegebnen. In diesem, etwas gekürztem Reisebericht wurden "erstens das rein Wissenschaftliche, Sprach- und Fachstudium Betreffende und zweitens das, was auf das Sexualverhältnis jener Naturvölker Bezug hat" ausgelassen (zitiert nach der 2. Auflage von 1854, die auch im Internet verfügbar ist).

Wie sehr die Brasilien-Expedition der beiden bayerischen Wissenschaftler über München hinaus als beachtenswertes Ereignis galt, zeigt sich unter anderem daran, dass schon ein Jahr nach der Publikation des ersten Bandes des Reiseberichtes von Spix und Martius eine englische Übersetztung dieses Werkes von H. E. Lloyd in London erschien. Diese Übersetzung enthält ein Vorwort, in dem die gesamte Reise in ihrer Bedeutung gewürdigt wird. Diese Übersetzung ist inzwischen im Internet verfügbar und auch als preiswerter Nachdruck erschienen. Umso erstaunlicher ist es, dass Spix in späteren Jahren weitgehend vergessen wurde.

Ergebnisse der Brasilienexpedition

Die fast vier-jährige Brasilienreise war außerordentlich erfolgreich und die beiden Wissenschaftler brachten Sammlungsmaterial mit, das zum Teil noch heute in den Staatlichen Bayerischen Sammlungen (Botanische Staatssammlung, Museum fünf Kontinente, Zoologische Staatssammlung) aufbewahrt wird. Die wissenschaftliche Ausbeute betrug laut Martius (Reisebericht, 3. Teil, 1831) 86 Säuger, 350 Vögel, 130 Amphibien und Reptilien, 116 Fische, viele Insekten- und Pflanzenarten, sowie Mineralien, viele völkerkundliche Gegenstände und wissenschaftliche Aufzeichnungen aller Art. Alleine der Reisebericht mit 1.338 Seiten ist noch heute eine der wichtigsten Informationsquellen über Brasilien in der damaligen Zeit. Spix selbst konnte nur den ersten Band und die ersten Kapitel des zweiten Bandes selbst bearbeiten. Den zweiten und dritten Band hat Martius nach dem Tode von Spix herausgegeben. Der Reisebericht enthält neben der eigentlichen Beschreibung der Reise und naturkundlichen Beobachtungen auch viele Informationen über die Lebensweise der brasilianischen Bevölkerung, über die Sitten der indigenen Völker, über die Wirtschaft, Landwirtschaft und Bodenschätze; kurz über alle Aspekte, die die beiden Münchner beobachten und untersuchen konnten. (➜ Bild: Titelblat des ersten Bandes)

Neben der biologischen Ausbeute waren vor allem auch die ethnologischen Sammlungsstücke von großem wissenschaftlichem Wert (Federschmuck, Waffen, Alltagsgeräte und anderes). Zu den wertvollsten Objekten zählen z. B. die Masken und Maskengewänder von Initiationsriten, die Spix von den Ticuna aus dem Amazonasgebiet mitbrachte. Einige Ethnien, von denen Spix und Martius Gegenstände mitbrachten, hatten bisher noch keinen Kontakt zu Europäern, einige existieren heute nicht mehr.

Ein von Spix gesammelter Affe (Nyctipithecus felinus)

Wie gründlich sich Spix mit dem gesamten damaligen Wissen über Brasilien auseinander gesetzt hat (Geschichte, Bevölkerung, Geographie und Wirtschaft), zeigt z. B. seine auch heute noch lesenswerte Rede "Brasilien in seiner Entwicklung seit der Entdeckung ...", die Spix 1820 zur Feier des Maximiliantages gehalten hat. Fittkau (1995) nannte diese Rede ein "literarisches Kleinod" (➜ Bild: Titelblatt). (➜ Textbeispiel)

Spix und Martius wurden nach ihrer erfolgreichen Rückkehr geadelt und mit vielen Ehrungen bedacht (Erhebung in den Adelstand, Leibrente, Ernennung von Spix zum Hofrat). Spix und Martius wurden in eine Reihe von wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien aufgenommen. Sie begaben sich sogleich an die wissenschaftliche Ausarbeitung Ihrer Ergebnisse, die in einer beachtenswerten Reihe von Publikationen einfloss (Publikationsverzeichnis von Spix siehe unten).

Alwind bei Lindau zur Zeit von Spix, Lithographie.

Leider konnte Spix von der reichen Ausbeute aus Brasilien nur die Säugetiere, Vögel, Amphibien und Reptilien (mit Ausnahme der Schlangen) selbst bearbeiten. Er began noch mit den Mollusken und Fischen. Er beschrieb über 500 Tierarten und Unterarten neu für die Wissenschaft: 64 Schnecken, 19 Muscheln, 91 Fische, 158 Amphibien und Reptilien, 220 Vögel, 15 Fledermäuse, 34 Affen. Die Mollusken hat J. A. Wagner (1797 - 1861), die Schlangen J. G. Wagler (1800 - 1832) und die Fische hat L. Agassiz (1807 - 1873) beschrieben (jeweils unter Verwendung der Notizen, Abbildungen und des Materials von Spix). Aus dem Material von Spix hat des weiteren, nach seinem Tod, J. A. M. Perty (1804 - 1884) in den Jahren 1830 bis 1834 insgesamt 622 Arten von Insekten beschrieben, darunter die größte Fliege der Welt (Mydas heros). Besonders interessant und bekannt sind zum Beispiel die Beschreibungen des Spix-Ara (Cyanopsitta spixii), und des Mohrenkaimans (Melanosuchus niger) durch Spix.

Spix hat mit größter Energie und Hast an der Auswertung seiner brasilianischen Ausbeute gearbeitet. Teils aus diesem Grund, teils aber auf Grund der methodischen Begrenzungen seiner Zeit wie der schwierigen Literaturbeschaffung hat er eine Reihe von Arten beschrieben, die bereits beschrieben waren (jüngere Synonyme).

Außerdem hat Spix in den wenigen Jahren, die ihm nach der Brasilienreise noch vergönnt waren, noch weitere wissenschafltiche Arbeiten fertig gestellt. Zum Beispiel publizierte er die Beschreibung der Anatomie einer Schwebfliegenlarve (Scutigera Ammerlandia, allerdings in der Meinung, es handle sich um eine Schnecke).

Jetzige Grabplatte von Spix

Spix konnte sich von den Strapazen und Krankheiten der Brasilienreise nicht erholen, auch der Besuch verschiedener Heilbäder konnte ihm nicht längerfristig helfen. Spix mußte sogar 1824 um Dispensation von der Abhaltung von Vorlesungen bitten. Am Bodensee bei Lindau kaufte er das Gut "Alwind" (auch Allwind geschrieben), das er nur kurz nutzen konnte.

J. B. von Spix starb am 13. Mai 1826, mit nur 45 Jahren an einer Tropenkrankheit. E. J. Fittkau vermutet, dass Spix an Trypanosomiasis, der Chagas-Krankheit, gelitten hat. Es könnte aber durchaus sein, dass er an "Frambösie" (nicht-venerische Treponemastose) litt.

Spix wurde am Alten Münchner Südfriedhof beerdigt (Grab Nr. 5-1-26), ein schlichter (sekundärer) Gedenkstein erinnert an ihn. Das ursprüngliche, größere Grabmal ist nicht mehr vorhanden, es trug in lateinischer Sprache die Aufschrift: "Seine Kräfte und sein ganzes Leben hat er für die Erforschung der Formen und der Gesetze der Natur hingegeben, wie keiner hat er die Zonen der neuen Welt erforscht und die wunderbaren Gebilde des heißen Himmelsstrichs gesammelt, geordnet und beschrieben ..." und "... (der) sich selbst durch seine unsterblichen Schriften und durch die Gründung des brasilianischen zoologischen Museums ein Denkmal gesetzt, das alle Zeiten überdauern wird." Dieses "brasilianische Museum" war zu Spix' Lebzeiten geplant und zu mindestens teilweise realisiert, wurde aber später, unter Köig Ludwig I., nicht weiter geführt. Andererseits sind die völkerkundlichen, zoologischen und botanischen Sammlungen von Spix und Martius zweifelsohne wesentliche Grundlagen der jetzigen Münchner Musseen (Museum fünf Kontinente, Botanische- und Zoologische Staatssammlung München).

Martius hingegen, konnte noch bis zu seinem Tode im Jahre 1886 die brasilianische Ausbeute wissenschaftlich bearbeiten, an der Münchner Universität lehren und wurde dadurch zu einem der wichtigsten Botaniker Deutschlands.

Ein halbes Jahr nach dem Tod von Spix, im November 1827, wurde die Universität von Landshut nach München verlegt. Die Leitung der Zoologischen Sammlung wurde dem Ordinarius für Zoologie, Gotthilf Heinrich von Schubert (1780 - 1860) übertragen. Dieser sorgte gemeinsam mit Martius dafür, dass der wissenschaftliche Nachlass von Spix, die Mollusken, Fische und Insekten weiter bearbeitet bzw. die Ergebnisse veröffentlicht wurden.

Indianerkinder als Mitbringsel

Spix und Martius brachten dem bayerischen König auch zwei Indianerkinder aus Brasilien nach München mit. Die beiden Kinder, ein Bub und ein Mädchen, wurden "Juri" bzw. "Johannes" und "Miranha" bzw. "Isabella" genannt. Sie konnten sich nicht miteinander verständigen, da sie von verschiedener ethnischer Herkunft waren. Die Namen "Juri" bzw. "Miranha" bezeichnen eigentlich die ethnischen Gruppen (Völker), denen sie angehörten. Ihre echten, ursprünglichen Namen kennen wir nicht. Sie waren in München der Schaulust der Bevölkerung ausgesetzt und konnten das raue Klima nicht vertragen. Das traurige Schicksal dieser Kinder wurde in einer romanhaften Erzählung aufgegriffen (H. Leonhardt, 1987) und kürzlich detailliert untersucht (Schönitzer, 2015)

Bronzerelief zur Erinnerung an die Indianerkinder

Martius hatte die beiden Kinder gekauft als er alleine (d.h. ohne Spix) reiste. Es war vermutlich geplant, die beiden Kinder zu Missionaren heranzuziehen, die dann in ihrer Heimat das Christentum verkünden sollten. Später hat Martius vertuscht, dass er die Kinder als Sklaven gekauft hatte. Viele Jahre später, im Alter, hat Martius den Fehler, die Kinder nach München mitzubringen, erkannt und bereut. Die beiden Kinder sind trotz guter Fürsorge und medizinischer Versorgung schon bald verstorben, Juri im Juni 1821, Miranha im Mai 1822. Sie wurden, ebenso wie später Spix und Martius, auf dem Münchner Südfriedhof beerdigt. Ein auf Anordnung der bayerischen Königin Caroline von J. B. Stiglmaier (1791 - 1844) entworfenes Bronzerelief erinnert an die beiden Indianerkinder. Dieses wird heute im Münchner Stadtmuseum aufbewahrt und kann dort besichtigt werden.

Nach heutigem Verständnis ist es höchst befremdlich und moralisch inakzeptabel, die beiden Indianerkinder aus Brasilien nach München mitzubringen. Man kann dies allenfalls aus der damaligen Zeit heraus verstehen. In Brasilien wurde zum Beispiel die Sklaverei erst 1888 abgeschafft! "Exotische Menschen" galten damals an den Höfen allgemein als Zeichen der Macht und der Bedeutung. Es ist sicher anzunehmen, das die beiden Wissenschaftler auf Anordnung des Königs handelten. Die Lehre aus der Gechichte sollte für uns Europäer - fast 200 Jahre später - sein, dass wir uns um einen partnerschaftlichen Umgang mit den indigenen Völkern bemühen und, dass wir uns für den Schutz ihres angestammten Lebensraumes engagieren. Es gibt sehr viele Möglichkeiten auch für "einfache Leute" sich für Kinder in Südamerika zu engagieren. Näheres siehe zum Beispiel: Kinderwerk Lima oder Kindernothilfe.

Wissenschaftliche Bedeutung von Spix

J. B. von Spix war mit C. F. Ph. von Martius einer der bedeutendsten Erforscher des tropischen Südamerika. Spix war der erste Zoologe, der im Amazonasgebiet arbeitete und einen wesentlichen Teil der Grundlagen unseres heutigen Wissens über die Tierwelt des Kontinents erarbeitet hat (Fittkau, 94). Er hat eine systematisch zoologische Sammlung aufgebaut, aus der die heutige Zoologische Staatssammlung München erwachsen ist und hat zur Arbeitsweise der Systematischen Zoologie beispielhafte und bahnbrechende Beiträge geleistet. Er war mit den naturwissenschaftlichen Methoden der Pariser Schule (Cuvier) und dem Weltbild seiner Zeit, der romantischen Naturphilosophie auf der Suche nach einem natürlichen System in der Zoologie (näheres siehe Bartkowsky, 1998 und Schönitzer, 2011).

Für die Völkerkunde gilt die Expedition von Spix und Martius als richtungsweisend. Sie zählt zu den frühen, systematischen und dokumentierten Expeditionen des Faches (Bujok, 2007). Spix gilt (mit Martius) auch als Entdecker der "Santana Formation", eine der bedeutendsten Fossil-Lagerstätten der Erde, im Araripe Becken im Osten Brasiliens.

Martius schrieb in seinem Nachruf 1829, also noch vor Darwin, über Spix: "[...] konzentrierte er seine geistigen Anstrengungen vor allem darauf, die äußerst unterschiedlichen Formen der Tiere in ein gewisses System zu bringen und ihre Evolution gewissermaßen als eine genetische anhand des Systems des Gehirns und der Nerven zu erforschen. Darauf richtete er seine gesamten Bemühungen und all seine Studien [...]". Man muß dabei allerdings bedenken, dass Martius die Begriffe "Evoluton" und "genetisch" nicht im heutigen Sinne gebraucht haben kann.

Publikationen

  1. Von Johann Baptist Ritter von Spix verfaßte Schriften (einschließlich von posthum erschienenen Arbeiten)
  2. Literatur über Ritter von Spix (Auswahl, weitere Literatur siehe insbesondere Bartkowski, 1998 und Schönitzer, 2011)

Webadressen

Dank & Impressum

Für den Inhalt dieser Seite ist Prof. Dr. Klaus Schönitzer (Konservator der Zoologischen Staatssammlung München a. D.) verantwortlich. Die HTML-Programmierung und Gestaltung wurde von Michael Schönitzer durchgeführt. Diese Webseite wurde privat erstellt dient keinen gewerblichen Zwecken. Sie wurde so genau wie möglich recherchiert, aber wir können Fehler nicht sicher ausschließen und können keine Haftung übernehmen. Des weiteren gilt das allgemeine Impressum von Schoenitzer.de.

Die Webseite befindet sich immer noch im Aufbau. Wenn Sie Fehler entdecken oder Verbesserungsvorschläge, Fragen oder Kommentare haben, wären wir sehr dankbar um einen Hinweis.

Für wertvolle Literatur und Informationen danke ich insbesondere Herrn Prof. Dr. Ernst-Josef Fittkau. Frau Dr. Juliane Diller ermöglichte uns das Abfotografieren der alten Literatur. Herrn Prof. Th. Heinzeller danke ich für fruchtbare Informationen und Diskussionen. Verschiedene Kollegen der Zoologischen Staatssammlung haben mit Hinweisen und Diskussionen geholfen. Dr. K. D. Reinartz hat die deutsche Übersetzung des Nachrufes von Martius durch Prof. Dr. W. Kreutzer vermittelt. Vielen Dank auch für wertvolle Hinweise an Frau Dr. E. Bujok, vormals Staatliches Museum für Völkerkunde, München. Für die Genehmigung Bilder verwenden zu dürfen danken wir dem Verlag Fritz Pfeil, München (Bronzereliev vom Grabmal der Indianerkinder) und dem Dr. K. Rehfeld, Wissenschaftl. Verlagsges. Stuttgart, Naturwissenschaftliche Rundschau (Karte mit der Reiseroute). Das Copyright bleibt bei den Genannten.
Allen, die uns geholfen haben, herzlichen Dank!

Hauptseite - top